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4. Optimismus siegt

 

 Jürgen schaute über den Bildschirm zu Pete.

„Morgen soll eure Tour starten und gestern ist dein Copilot ausgefallen. Meinst du wirklich, dass du noch jemanden findest, der dich begleitet?“

„Schau mal auf die Uhr, mein Lieber. Es ist jetzt 10.30 Uhr. Wir fahren morgen um 5.30 Uhr los. Da habe ich noch ausreichend Zeit, und vielleicht schickt mit der gute Herr dort oben einen Engel auf die Erde“, sagte Pete und blickte bittend gen Himmel. Er räumte seinen Arbeitsplatz auf, schließlich würde er erst in zwei Wochen zurückkommen – so oder so.

 

Mit Jürgen verband Pete nicht nur eine berufliche Partnerschaft, sondern auch eine sehr enge und persönliche Freundschaft. Selbst seine Frau Tanja war Teil dieser sehr innigen Beziehung geworden. Oftmals entstand nach einer Heirat eine Situation, die zu Veränderungen anregte, doch nicht in diesem Fall. Pete war auch Taufpate von Jürgens und Tanjas Sohn Ben, der ihn immer liebevoll „Onkel Pi“ nannte. Die beiden hatten sich auf dem Gymnasium kennengelernt und sich gemeinsam durchs Abitur geschlagen. Die gleichen Interessen führten zum identischen Maschinenbaustudium auf der Fachhochschule in München. Ihre Praxissemester in unterschiedlichen Unternehmen brachten sie auf die Idee, nach dem Studium gemeinsam ein Unternehmen zu gründen. „Wir sind jung und haben nichts zu verlieren“, so war ihre Devise. Und diese sollte sich bewahrheiten, denn nach mittlerweile mehr als acht Jahren hatte es sich prächtig entwickelt. Jürgen wäre einer, mit dem Pete diese Tour ohne auch nur einen Moment zu zögern durchgezogen hätte, doch Tanja war hochschwanger und daher konnte er sich nicht für zwei Wochen aus dem Staub machen.

 

Plötzlich ertönte lautstark „Highway to Hell“ aus Petes Hosentasche. Seine letzte Tätigkeit am Abend vorher war es gewesen, den Klingelton an seinem iPhone neu zu belegen. „Highway to Hell“ von AC/DC war das Signal seiner Wahl für die nächste Zeit. Nicht auf diskret lautlos, sondern mit Maximaleinstellung schallte Bon Scotts Stimme aus dem kleinen Lautsprecher. Das könnte eventuell der Weg der kommenden 3000 Kilometer sein, dachte er. Während Pete das zappelnde Telefon aus der Hosentasche zog, verfiel er in einen leichten Anfall von Headbanging. Maik ruft an stand darauf und Pete nahm erwartungsvoll das Gespräch an.

„Ich nehme aktuell nur positive Nachrichten entgegen“, war die Begrüßung für seinen Bruder.

„Na ja, ich habe zwar noch nicht alle erreicht, die wir gestern aufgeschrieben haben, aber die Euphorie hält sich bis jetzt in Grenzen. Einzig Georg wäre sofort auf den Zug aufgesprungen, er hat aber während der letzten Wochen seinen Resturlaub verbummelt und beginnt am kommenden Montag einen neuen Job. Manchmal läuft eben alles bescheiden.“ Maik war etwas deprimiert über den mangelnden Erfolg seiner Telefonaktion.

„Halb so wild, Kleiner, ich habe mir für heute Nachmittag auch noch ein paar Kontakte aufgehoben, die ich anrufen werde. Du wirst sehen, alles wird gut.“ Pete erkundigte sich nochmals über Maiks Gesundheitszustand und sein Bruder berichtete über sein Telefonat mit Schwester Sabrina und wie sie doch herzlich über seine Idee lachen musste, die 3000 Kilometer mit dem Geländewagen durch Europa zu gondeln. Die Option, den Arzt anzusprechen, wurde nach kurzer Zeit als indiskutabel in die Ecke gestellt. Aber, und das erzählte er viel freudiger, er hatte mit ihr für das kommende Wochenende einen Termin zur Privatbehandlung in seiner Wohnung ausgemacht.

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